„Chancengleichheit in der Wissenschaft – Bayerns Kultur retten“

Dr. Wolfgang Heubisch, Vizepräsident des Bayerischen Landtages, Sprecher für Wissenschaft und Kultur

Als ehemaliger Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst liegt mir die Förderung exzellenter Forschung und Lehre sehr am Herzen. Damit die bayerischen Hochschulen an die Weltspitze aufschließen, setze ich mich für eine tiefgreifende Strukturreform ein. Diese umfasst eine Umstellung der Hochschulen auf eine Matrixstruktur, beinhaltet die Stärkung des Tenure-Track-Programms sowie die Einführung von Vorstudium und Studium generale und gipfelt in der Gewährung eines globalen Budgets und Lehrdeputats. Zudem wollen wir als FDP-Fraktion die Förderung von Frauen in Hochschulgremien forcieren. 

Die bayerische Hochschullandschaft vermittelt leider ein klares Rollenbild: Professuren sind im Freistaat Männerdomäne. Nicht einmal ein Fünftel der Professuren an den bayerischen Universitäten sind mit Frauen besetzt, obwohl die Hälfte der Studierenden weiblich ist. Im Rennen um die besten Köpfe können wir es uns aber nicht leisten, das eine oder das andere Geschlecht zu benachteiligen. Es muss möglich sein, Familie, Forschung und Lehre unter einen Hut zu bringen. 

Hochschule: Chancengleichheit in der Wissenschaft

Daher haben wir das Antragspaket „Gleichstellung im Hochschulsystem“ in den Landtag eingebracht. Es beinhaltet unter anderem ein gezielteres Recruiting, familienfreundlichere Arbeitsbedingungen und eine Professurenvergabe nach dem Kaskadenmodell. Im Unterschied zu einer starren Zielquote orientiert sich diese Aufteilung am vorhandenen Anteil der Frauen auf der direkt darunterliegenden Qualifizierungsstufe. Das heißt, dass in einem Studiengang, in dem besonders viele Frauen eingeschrieben sind, sich bis hin zu den Professuren auch der Anteil von Frauen sukzessive erhöht. Zuerst entscheidet natürlich immer die Qualifikation, erst dann die Kaskade.

Start-ups: Gründer fördern

Die Corona-Krise hat verdeutlicht, wie wichtig Innovationen sind. Der Grundstein für diese Innovationen sind junge, mutige Köpfe an unseren Hochschulen. Wir wollen Mut zum Risiko belohnen – mit unserem Antragspaket „Gründerboom in Bayern“. In allen Studiengängen sollte das Thema „Gründen“ in die Curricula aufgenommen und eigene Gründungserfahrungen in Form von ECTS-Punkten anerkannt werden. Zudem sollten sich die Hochschulen an Start-ups beteiligen können, zum Beispiel über einen Investitionsfonds, über den die Hochschulen frei verfügen können. Wir brauchen Universitäten, die unseren Gründern die besten Chancen bieten, ihre Ideen zu entfalten. 

Und wir brauchen mehr Austausch und Transparenz. Die Staatsregierung darf aktuelle Forschungsergebnisse sowie das dazugehörige Datenmaterial nicht länger unter Verschluss halten. Die Ergebnisse müssen öffentlich auf einer Plattform falsifizierbar sein. Davon würde das gesamte Wissenschaftssystem profitieren. 

Wichtige Themen und Anliegen sollten mit den Hochschulen und Universitäten breit diskutiert werden. Aus diesem Grund habe ich ein Beteiligungsportal für das neue, nicht unumstrittene Hochschulinnovationsgesetz eingerichtet. Wir müssen denjenigen Gehör verschaffen, die es betrifft. Ich bin davon überzeugt, dass politische Partizipation in der heutigen Zeit mehr denn je gewollt ist und auch gebraucht wird.

Bayern ist Kulturstaat

Als kulturpolitischem Sprecher blutet mir in diesen Tagen mehr denn je das Herz. Die Corona-Pandemie hat die bayerische Kunst- und Kulturszene besonders hart getroffen. Für die Künstlerszene – ob Solo-Selbständige, Galeristen oder Veranstalter – ist die Krise existenzbedrohend. Noch immer steht das kulturelle Leben in vielen Bereichen nahezu still. Und noch immer kommen die Hilfsprogramme nicht bei allen an. 

Bayern ist Kulturstaat. Der Erhalt der Kultur ist allein deshalb schon verpflichtend. Kultur ist ein hohes Gut, sie ist mehr als Unterhaltung und Zeitvertreib: Sie ist systemrelevant. Sie ist wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit für unsere Demokratie. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist überdies für Bayern ein relevanter Wirtschaftsfaktor: 400.000 Menschen sind im Freistaat im kreativen Bereich erwerbstätig, ähnlich wie in der Automobilindustrie. Gemessen an der Bruttowertschöpfung ist sie damit die drittwichtigste Branche im Freistaat.

Crowdfunding: Perspektiven für die Kultur

Wir haben uns als FDP-Fraktion von Beginn an mit aller Vehemenz für neue Impulse und echte Perspektiven für Kulturschaffende eingesetzt und zahlreiche Anträge eingebracht. So wie unser jüngstes Impulsprogramm „Kunst nach draußen!“. Hier wollen wir der Kulturszene finanziell bei Veranstaltungen im Freien unter die Arme greifen. Insbesondere mit Blick auf das Frühjahr und den Sommer sollten doch Open-Air-Events mit guten Sicherheits- und Hygienekonzepten wieder möglich sein. 

Zur Unterstützung der Branche wünschen wir uns zudem eine bayernweite Crowdfunding-Plattform nach dem Vorbild Münchens. Die Landeshauptstadt hat mit einer eigenen digitalen Plattform für die Schwarmfinanzierung von Kulturprojekten gute Erfolge erzielt. Daran wollen wir anknüpfen und die Idee so schnell wie möglich auf Landesebene bringen. Damit sich die Kunst- und Kulturschaffenden, möglichst professionell auf ihre Crowdfunding-Kampagne vorbereiten können, schlagen wir zudem ein Förderprogramm „Crowdfunding Bayern“ vor. Für Kreativleistungen wie die Erstellung von Imagefilmen und Logos sowie für Marketing- und PR-Maßnahmen sollte der Freistaat einen Zuschuss von 75 Prozent oder maximal 3.000 Euro gewähren. 

Natürlich soll eine bayernweite Crowdfunding-Plattform nicht die bestehenden Förderprogramme des Freistaats ersetzen. Sie dient als Ergänzung. Durch die finanzielle Unterstützung, durch Vermittlung des betriebswirtschaftlichen Knowhows sowie durch die Entwicklung von Crowds kann sie aber den Grundstein für die Verwirklichung vieler Kunst- und Kulturprojekte legen.