Interview mit Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender

Herr Hagen, seit zweieinhalb Jahren ist die FDP zurück im Bayerischen Landtag. Wie fällt Ihre Halbzeitbilanz aus?
Hagen: Es ist uns gelungen, die FDP wieder als landespolitische Kraft in Bayern zu etablieren. Mit kompetenter Sacharbeit und unserem Kurs der konstruktiv-kritischen Opposition haben wir uns Anerkennung bei den Medien erarbeitet, Respekt bei den politischen Mitbewerbern – und, am wichtigsten, zunehmend auch Vertrauen bei den Bürgern. Endlich gibt es im Bayerischen Landtag wieder eine starke liberale Stimme, die sich für Marktwirtschaft, Bürgerrechte und Chancengerechtigkeit einsetzt. Das hat in der letzten Legislaturperiode gefehlt.
Wo zeigen sich die liberalen Alleinstellungsmerkmale konkret in der parlamentarischen Arbeit?
Ein gutes Beispiel ist die Haushaltspolitik: CSU und Freie Wähler haben die gesetzlich festgeschriebene Schuldentilgung aufgeben – schon vor Corona, zur Finanzierung ihrer üppigen Wahlgeschenke. Grüne, SPD und AfD wollten bei der Beratung des Doppelhaushalts 2019/20 sogar noch draufsatteln und noch mehr Geld ausgeben. Die FDP hat als einzige Fraktion ein Einsparpotential aufgezeigt: Netto 1,7 Milliarden Euro – und das, obwohl wir zusätzliche Investitionen in wichtige Zukunftsbereiche wie Bildung, Wissenschaft und Infrastruktur beantragt haben. Wir stehen für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler und behalten auch die Interessen kommender Generationen im Blick. Einer muss es ja tun.
Auch in der Corona-Politik stand die FDP-Fraktion mit ihrer Position oft allein da…
Aber nur im Parlament! Aus der Bevölkerung erhalten wir großen Zuspruch und auch in der Wissenschaft werden viele unserer Forderungen geteilt. Nehmen Sie unsere Kritik an der Fixierung auf den Inzidenzwert: Die meisten Epidemiologen sind sich inzwischen einig, dass wir auch andere Kriterien berücksichtigen sollten. Oder unser Engagement für mehr Parlamentsbeteiligung, da haben wir renommierte Verfassungsrechtler auf unserer Seite. Auch die Verwaltungsgerichte haben unsere Zweifel an der Verhältnismäßigkeit bestimmter Maßnahmen oft bestätigt. Kinderärzte und Bildungsforscher stimmen uns zu, dass die monatelange Schließung von Schulen und Kitas zu untragbaren Kollateralschäden führt. Die FDP-Fraktion hat ja von Beginn an laufend konstruktive Vorschläge zur Bewältigung der Pandemie gemacht – viele wurden erst abgelehnt und später von der Regierung übernommen. Das war bei der Maskenpflicht beim Einkaufen so, bei der Digitalisierung der Gesundheitsämter oder beim Schutz von Alten- und Pflegeheimen durch Schnelltests.
Die FDP ist mit elf Abgeordneten die mit Abstand kleinste Fraktion im Landtag. Erschwert das die Arbeit?
Natürlich ist jeder Einzelne bei uns stärker gefordert als in den größeren Fraktionen. Aber wir kompensieren Quantität durch Qualität. Wir sind eine Fraktion von Fachleuten mit sehr vielfältigem beruflichem Hintergrund – von der Journalistin bis zum Musiklehrer. Die Gesundheitspolitik macht bei uns ein Arzt, die Baupolitik ein Architekt. Im Haushaltsausschuss sitzt für uns ein Mathematiker, im Wirtschaftsausschuss ein erfolgreicher Unternehmer. Wir verfügen also über viel praktische Erfahrung und Sachverstand, das hilft bei der politischen Arbeit ungemein.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte wollen Sie in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode setzen?
Wir wollen insbesondere dort Akzente setzen, wo die Corona-Krise zu Verwerfungen geführt und Defizite aufgedeckt hat: Etwa in der Wirtschafts- und Bildungspolitik oder bei der Digitalisierung des Staates. Die Themen, die ohnehin zu den Kernkompetenzen der Landtags-FDP gehören, haben durch die Pandemie nochmal an Brisanz gewonnen!